Mannsbilder

Geschlechterrollen und Männlichkeit in den Medien und der Gesellschaft

Sumomag Redaktion

Interview von von Anna Horn
mit Florian Zeiner
und Magdalena Heinzl

Typisch Mann! – Geschlechterrollen und Männlichkeit in den Medien und der Gesellschaft

Ein gutes und gewaltfreies Miteinander von Frauen und Männern sowie geschlechtsunabhängige Möglichkeiten.

Diese Aspekte und Ideale sind Florian Zeiner, Männerberater des Vereins „Mannsbilder Tirol“, sowie Magdalena Heinzl, Sozialarbeiterin, klinische Sexologin und zertifizierte Sexual-, Trauma- und Theaterpädagogin, unter anderem ein großes Anliegen.

Aber wieso braucht unsere Gesellschaft Berufe wie diese? Wann ist ein Mann ein Mann? Welche Stereotype und gesellschaftlichen Vorurteile in Bezug auf Männlichkeit sind heutzutage immer noch präsent? Und was haben Medien eigentlich damit zu tun? Diese und noch viele weitere Fragen beantworteten Magdalena Heinzl und Florian Zeiner im Austausch mit SUMO. 

Bereits im Zuge der ersten Berufserfahrungen im Kriseninterventionszentrum Tirol für Kinder und Jugendliche wurden Florian Zeiner die unterschiedlichen Bedürfnisse und die Relevanz geschlechtsspezifischer Arbeit bewusst. Der Beruf des Männerberaters umfasst die beratende Unterstützung bei Schwierigkeiten von Männern und Burschen in unterschiedlichsten und individuellen Themenbereichen. Magdalena Heinzl merkte während ihrer Ausbildung zur Sozialarbeiterin ebenfalls, dass im Umgang mit sensiblen Themen noch Verbesserungen möglich sind. Heute bietet Heinzl unter anderem Workshops in Schulen und Jugendgruppen, Fortbildungen sowie Unterstützung bei sexualpädagogischen Schutzkonzepten an und thematisiert „Tabuthemen“ öffentlich und niederschwellig in den sozialen Netzwerken.

Nur weil ein Thema sensibel ist, ist es nicht tabu – eigentlich ganz im Gegenteil!  

In unserer Gesellschaft sind solche Berufe wichtig, weil sensible Themen jeden Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht oder Lebenssituation betreffen und sowohl die Möglichkeit als auch das Vertrauen gegeben sein muss, um darüber sprechen zu können. Heinzl und Zeiner sind sich einig, dass ein wertschätzender, sicherer Raum geschaffen werden soll, in welchem über Schwächen, Bedürfnisse sowie Unzufriedenheiten gesprochen werden kann. Die Akzeptanz Probleme nicht ausschließlich selbstständig lösen zu müssen und auch Schwächen zulassen zu können, sieht Florian Zeiner bereits als großen Schritt.  Als Männerberater trifft er oft auf Männer und junge Burschen mit Beratungsbedarf bezüglich Partnerschaft, Liebe, Vaterschaft, Lebenskrisen, Gewalt und sexuelle sowie berufliche Orientierung. Dass Bedarf sowie  Interesse an der Unterstützung vorliegen, kann Zeiner an den steigenden Beratungszahlen beobachten.  

Auch Magdalena Heinzl beschäftigt sich in ihrem Berufsalltag neben Präventionsthemen mit der Förderung von Gesundheit, Wohlbefinden sowie zwischenmenschlichen Beziehungskompetenzen und Selbstwahrnehmung. Dabei teilt die klinische Sexologin ihr Wissen zusätzlich auf öffentlichen Plattformen, wie beispielsweise Instagram. Denn nicht zuletzt kann sie durch ihre mediale Präsenz in den sozialen Netzwerken ihren, mittlerweile über 24.000 Follower*innen einen niederschwelligen und kostenlosen Zugang zu korrekter und aktueller Information gewähren. Gerade Social Media bietet nämlich die Möglichkeit eine breite Zielgruppe zu erreichen und einen Austausch zu fördern. Doch dabei ist auch eine gewisse Achtsamkeit erforderlich. Heinzl spricht beispielsweise die sogenannten „trigger-warning-Hinweise“ an. Dadurch soll den Rezipient*innen die Möglichkeit gegeben werden vor der Auseinandersetzung mit einem Beitrag mit sich selbst abzuklären, ob die emotionalen Kapazitäten in diesem Moment gegeben sind, um sich mit dem Inhalt auseinandersetzen zu können. Ein weiterer wichtiger Punkt im Zusammenhang zwischen Social Media und sensiblen Themen ist, diese auch nicht zu verallgemeinernd darzustellen.

Geschlechterrollen definieren  

Medien können bei der eigenen Definition der Geschlechterrolle eine Stütze sein, da so eine vielfältigere Repräsentationsform und Menschlichkeit ermöglicht wird.  

Heinzl sieht hier mediale Darstellung vor allem als Inspiration. Wie die eigene Geschlechterrolle dann schlussendlich definiert wird, ist ganz individuell und steht in Zusammenhang mit der Reflexionsfähigkeit, Körperwahrnehmung und dem Leben und Erleben des eigenen Geschlechtes. Die klinische Sexologin hebt dabei hervor, dass Geschlechter individuell sind und auch nicht nur männlich und/oder weiblich sein müssen. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschlechterrolle zeugt also von großer Wichtigkeit, da hierbei die Chance besteht für sich selbstbestimmt eine Geschlechterrolle zu definieren. So kann man den eigenen Körper und die eigene Identität verstehen, begreifen, kennenlernen und annehmen. Laut dem Männerberater Florian Zeiner kann durch die aktive Auseinandersetzung und der individuellen Definition des Geschlechts auch Manipulation vermieden und mehr Toleranz gegenüber anderen Orientierungen geschaffen werden. Zusätzlich ist dies auch ein wichtiger Teil der Gewaltprävention. 

Greifbare Vorbilder und vielfältige Repräsentation in den Medien sind essenziell 

Da die Entwicklung des geschlechterspezifischen Bildes bereits in der Kindheit beginnt, sind meist die Eltern das erste Rollenvorbild, wobei mit der Zeit auch der Einfluss von außen hinzukommt. Im Zuge der Interviews mit Florian Zeiner und Magdalena Heinzl kommt klar hervor, dass dabei auch die Macht von Medien nicht unterschätzt werden darf. Daher ist es von enormer Wichtigkeit, Rollenbilder in den Medien wertfrei und in unterschiedlichsten Facetten zu vermitteln. Im Sinne der Diversität sei dabei aber noch einiges offen, denn “viele Rollenbilder sind immer noch sehr stereotyp und archaisch. In der Medienwelt werden Kinder mit solchen Fragen oft alleingelassen, kommen meist unreflektiert mit diesen Rollenbildern in Kontakt und nehmen sie als allgemeingültige Realität wahr”, meint Florian Zeiner. Aber Medien präsentieren und verkaufen auch heute überwiegend “perfekte” Körper oder Berühmtheiten als Stereotype in Filmen, Serien und Werbung, beobachtet er weiters.  

Dies sei laut Zeiner aber nicht mehr zeitgemäß, denn “junge Burschen suchen sehr stark nach greifbaren Vorbildern, die näher an ihrer realen Lebenswelt sind und keine archaischen Konstruktionen.” Darüber hinaus ist eine vielfältige Repräsentation in den Medien essenziell, damit alte und überholte Stereotype nicht weiterhin eingefahren werden, da mediale Vielfalt Menschen zum Austausch anregt und ermutigt Diversität auch tatsächlich auszuleben. Durch nahezu unerreichbare Ideale und einfältige Repräsentation in den Medien können laut Heinzl auch Druck und Ängsten ausgelöst werden. Das Gefühl gesellschaftlich vorgegebenen Rollen und Idealen zu entsprechen, kann durchaus drastische Folgen mit sich bringen. Unter anderem kann es sich als teils negatives Verhalten äußern, welches durch stereotype Rollenbilder erlernt wurde – mit der Begründung es sei nun mal männlich. Doch „catcalling“, „menspreading“ und „mensplaining“, um einige Beispiele zu nennen, sind weder ein Beweis von Männlichkeit noch ein Grund oder Entschuldigung. Magdalena Heinzl beschreibt die mediale Darstellung von Diversität als bedeutend, da Diversität laut der klinischen Sexologin auf allen Ebenen stattfindet und grenzenlos ist. 

Wann ist ein Mann ein Mann?  

Diese Frage stellen sich viele Männer erst spät und viele setzen sich gar nicht erst damit auseinander, weiß Florian Zeiner. Die meisten sozialen Rollenbilder und verallgemeinernde Männlichkeit sind auch heutzutage noch nicht vollständig aufgebrochen. Auf die Fragen mit welchen stereotypen Vorurteilen sich Männer und Jungs heutzutage auseinandersetzen müssen, antworten Magdalena Heinzl erstmal verschmitzt „mit vielen“. Stereotype entstehen, um Situationen und Gegebenheiten zu vereinfachen – Stereotype spiegeln also das Ergebnis der Bilder unserer Gesellschaft wider – „das heißt aber nicht, dass dies gestärkt werden soll“, erklärt die klinische Sexologin im Gespräch mit SUMO. Außerdem empfinden Heinzl und Zeiner viele Stereotype als veraltet. 

Im Idealfall sollte jedoch jeder im Laufe des Lebens selbst entscheiden, definieren und schlussendlich beantworten können, wann ein Mann nun tatsächlich ein Mann ist, meint Zeiner. Weiteres erläutert er:„Gesellschaftlich sind hier mittlerweile auch mehr Räume entstanden, die Menschen die Möglichkeit geben, sich als Mann zu definieren – auch unabhängig von ihrem ursprünglichen biologischen Geschlecht.”

Die soziale Rolle des Mannes im Wandel 

Sowohl im Tätigkeitsfeld von Florian Zeiner als auch Magdalena Heinzl ist bemerkbar, dass einige veraltete Stereotype noch im sozialen Handeln und dem gesellschaftlichen Denken verankert sind. Gleichzeitig können Ideale und Erwartungen aufgelockert werden. Schönheitsideale und Leistungsdruck sind also geschlechtsunabhängig und immer noch vorhanden. Die Sexologin sieht eine Notwendigkeit darin, sich selbst und den eigenen Körper anzunehmen, da dies maßgeblich zur Lebenszufriedenheit und zur mentalen sowie körperlichen Gesundheit beiträgt. Außerdem müssen gerade jungen Männern vor Augen geführt werden, dass auch andere Qualitäten und Charakterzüge wertgeschätzt werden. Im Verhalten der jungen Männer erkennt auch Florian Zeiner einen deutlichen Wandel. Die jüngere Generation habe sich laut dem Männerberater während der Pandemie sehr zurückgezogen und an die Situation angepasst. Dadurch “sind jetzt viele gefordert, ihren Platz in der Gesellschaft wiederzufinden”, erläutert der Männerberater. Die größte Veränderung bezüglich der Rollenbildung nimmt er jedoch im Bereich der Vaterschaft wahr. Viele Männer haben das Bedürfnis bewusst mehr Zeit mit ihren Familien zu verbringen. In Folge hat dies auch einen starken Einfluss auf die Rollenbildung und -verteilung innerhalb einer Familie.  

Eine Entwicklung die Magdalena Heinzl und Florian Zeiner für unverzichtbar halten, ist, dass Männer lernen Konflikte ohne Gewalt zu lösen und für Probleme nachhaltigere Wege finden. Zeiner erwähnt dabei, dass “hier auch die Medien kritisch zu hinterfragen sind, wo in Serien, Filmen und Computerspielen Gewalt häufig als Lösungsmittel aller Probleme inszeniert wird.” Dabei sei der schnelle und unkomplizierte Zugang zu Männerberatungsstellen hilfreich. Für die zukünftige Definition der Männlichkeit und Geschlechterrollen wissen beide Interviewgäste, dass noch einiges zu tun ist. Sei es im Gesundheits- und Bildungswesen oder im eigenen Freundeskreis; Verbesserungspotential ist überall möglich. Wünschenswert wäre es nämlich Geschlechterrollen nicht mehr nur zweidimensional zu sehen, mit Konflikten gewaltfrei und in aller Offenheit umgehen zu können und Vielfalt so zu leben und zu repräsentieren, dass diese zur Normalität in der Gesellschaft wird. 

 

Originalbeitrag  unter: sumomag.at

Bild-Copyright: pixabay.com/@Tumisu

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